Stadtwerke Flensburg Ansicht Nacht vom Werft aus fotografiert

Transformation

Die Wasserstofftechnologie - eine Investition in die Zukunft

Um die Klimaziele erreichen zu können, werden mit Hilfe der Sektorkopplung die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr miteinander gekoppelt. Auf diese Weise wird der schnelle Umstieg von fossile auf erneuerbare Energien vorangetrieben. Die Wasserstofftechnologie nimmt dabei eine entscheidende Rolle ein.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende: Sektorkopplung 

Der Fokus der Energiewende lag bisher auf dem Ausbau der regenerativen Stromerzeugung, deren Anteil im Jahr 2019 insgesamt mehr als 40 % betrug. Bedingt durch das wechselnde Angebot von Wind und Sonne lag die Erzeugungsleistung zwischen rund 10 und mehr als 60 GW. Dies entspricht knapp 15 % bzw. 75 % des jeweiligen Leistungsbedarfes.

Graphische Darstellung des Stromvergleichs im Vergleich zur Erzeugung von erneuerbarer Energie.
Graphische Darstellung der erneuerbaren Energie.
Graphische Darstellung des Zusammenspiels von KWK Verbrauch und erzeugung durch erneuerbarer Energie.

Der aktuelle Ausbau der regenerativen Stromerzeugungskapazitäten führt bei entsprechenden Wetterlagen schon heute zeitweise zu einem Stromüberschuss. Mit dem geplanten weiteren Ausbau wird es vermehrt zu einem bundesweiten oder lokalen Überangebot von Strom kommen.

Der hohe Anteil von regenerativ erzeugtem Strom hat dazu geführt, dass der Stromsektor trotz teilweise vollzogenem Atomausstieg seine CO2-Emissionen seit 1990 um rund 36 % senken konnte, während andere Sektoren wesentliche geringere Werte aufweisen. 

Die Energiewende ist bisher eher eine „Stromwende“.

Portrait von Karsten Müller-Janssen Bereichsleiter Anlagenbau und Projektplanung Karsten Müller-Janßen, Geschäftsbereichsleiter Anlagenbau und Projekte bei den Stadtwerken Flensburg

Regenerative Erzeugung

Im Sektor „Wärme“ und anderen Sektoren wie z. B. dem Verkehr sind die Anteile regenerativer Energie noch wesentlich geringer als im Stromsektor. Es gilt somit, die überschüssigen, regenerativ erzeugten Strommengen möglichst kurzfristig in diese Sektoren zu integrieren.

Durch die Sektorkopplung können Erzeugungsspitzen in der regenerativen Stromerzeugung sinnvoll genutzt, die Energie gespeichert und der regenerative Anteil in anderen Sektoren gesteigert werden. 

  • Sektorkopplung: Definition

    Energie wird auf unterschiedliche Art und in verschiedenen Lebensbereichen, so genannten Sektoren verbraucht. Die größten drei Sektoren sind dabei Strom, Wärme und Verkehr. Um die Klimaziele erreichen zu können, werden diese drei Sektoren miteinander gekoppelt und auf diese Weise der schnelle Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien vorangetrieben. Diesen Vorgang nennt man Sektorkopplung.

Ein Fernwärmenetz bietet gute Voraussetzungen für Sektorkopplung im Wärmebereich, da mit Hilfe eines Fernwärmenetzes die Technologie von allen angeschlossenen Verbrauchern genutzt werden kann.
Für ein Gelingen der Energiewende ist die Sektorkopplung ein wesentlicher Faktor.

Technische Möglichkeiten der Sektorkopplung

Zur Sektorkopplung stehen verschiedene Technologien zur Verfügung, von denen wir zwei im Folgenden gerne näher beschreiben möchten:

  1. Power to heat
  2. Wasserstoff

Power to heat

Mit Power to heat (PTH) ist die Umwandlung von elektrischer Energie (Strom) in thermische Energie (Wärme) gemeint.

Kombiniert mit einem Wärmespeicher und einem Fernwärmenetz ergibt sich so die Möglichkeit, bei hoher Erzeugungsleistung von regenerativem Strom überschüssige elektrische Energie in Wärmeenergie umzuwandeln und in einem Wärmespeicher zu speichern. Die Wärmeenergie kann dann bei entsprechendem Wärmebedarf zeitlich versetzt in das Fernwärmenetz eingespeist und zur Beheizung von Gebäuden genutzt werden. Durch die zentrale Anordnung der Anlage können auf diese Weise alle Kunden des Fernwärmenetzes mit dieser Wärme versorgt werden.

Grundsätzlich stehen als Power to heat-Anlagen elektrische Widerstandsheizungen und Wärmepumpen zur Verfügung.

Elektrische Widerstandsheizungen wandeln den Strom nach dem Tauchsiederprinzip direkt in Wärme um. Die Wirkungsgrade liegen bei knapp 100 %. Unter normalen Druckverhältnissen sind Wassertemperaturen von rund 98°C möglich. Bei höheren Drücken sind auch Temperaturen über 100°C möglich.

Wärmepumpen nutzen zur Energieumwandlung das gleiche Prinzip wie ein Kühlschrank.

Für die Erzeugung von vier Einheiten Wärme muss so nur eine Einheit Strom aufgewendet werden. Mit diesen Leistungszahlen sind Wassertemperaturen von rund 80°C erreichbar. Darüber fällt die Effizienz stark ab. Wärmepumpen weisen deutliche höhere Investitionskosten auf als Elektroheizer.

Sowohl Elektroheizer als auch Wärmepumpen sind technisch ausgereift und in allen relevanten Leistungsklassen verfügbar. Die Stadtwerke Flensburg verfügen im Wärmenetz Flensburg über eine PTH-Anlage mit 30.000 kW elektrischer Leistung sowie einen Wärmespeicher mit einem Volumen von 29.000 m³ (29 Mio. Liter). Im sehr viel kleinerem Nahwärmenetz in Tarp sind ein Elektroheizer mit 900 kW und Wärmespeicher mit 140 m³ installiert.

Schematische Darstellung eines Elektrodenheizers.

Auf Grund der aktuellen Regelungen zu Steuern und Abgaben wird der, in diesen Anlagen zur Anwendung kommende Strom jedoch mit so hohen Kosten belegt, dass der dauerhafte Betrieb der Anlagen in der Regel unwirtschaftlich ist.

Portrait von Karsten Müller-Janssen Bereichsleiter Anlagenbau und Projektplanung Karsten Müller-Janßen, Geschäftsbereichsleiter Anlagenbau und Projekte bei den Stadtwerken Flensburg

Die Einsatzdauern der bei den Stadtwerken Flensburg und vielen anderen Wärmeversorgern bereits vorhandenen PTH-Anlagen könnten durch Änderungen im Steuer- und Abgabesystem durch die Politik sehr kurzfristig deutlich erhöht werden.

Der verstärkten Nutzung dieser Möglichkeit der Sektorkopplung stehen zurzeit somit im Wesentlichen nur regulatorische Rahmenbedingungen entgegen.

Wasserstoff

Wasser kann mit Hilfe von elektrischem Strom über verschiedenen Verfahren in seine Bestandteile „Sauerstoff“ und „Wasserstoff“ aufgespalten werden. Bei der Verwendung von regenerativ erzeugtem Strom kann so ein CO2-neutraler Brennstoff gewonnen werden. Der so gewonnene Wasserstoff kann verflüssigt in LKW‘s zu den Verbrauchern transportiert und dort direkt verwendet oder in das Erdgasnetz eingespeist und darüber zu den Verbrauchern transportiert werden. Die Einspeisung in das Erdgasnetz bietet den Vorteil, dass die vorhandene Infrastruktur genutzt werden und das Netz zusätzlich als Speicher dienen kann. Da einige an das Erdgasnetz angeschlossene Verbraucher Probleme mit hohen Anteilen von Wasserstoff im Erdgas haben, sind der Einspeisung enge Grenzen gesetzt. Der Anteil von Wasserstoff im Erdgas darf an keiner Stelle den Wert von 10 % überschreiten.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass der Wasserstoff (H2) mit Kohlenstoffatomen (C) zu synthetischem Methan (CH4) angereichert wird. Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas. Für technische Anlagen macht es keinen Unterschied, ob sie mit Erdgas oder synthetischem Methan betrieben werden. Daher kann synthetisches Methan unbegrenzt in das Erdgasnetz eingespeist werden.
 

Schaubild über die Wasserstofftechnologie mit Einsatz von Windenergie und Elektrolyse.

Gemäß einer Potentialstudie zur Wasserstoffnutzung ist für die Elektrolyse von Wasserstoff mit Hilfe von regenerativ erzeugtem Strom im günstigsten Fall mit Kosten zu rechnen, die um den Faktor 6 -10 höher sind als Erdgas. Eine Verflüssigung und ein Transport oder eine Aufbereitung zu synthetischem Methan ist hierbei noch nicht berücksichtigt.

Mit Strom aus regenerativen Quellen erzeugter Wasserstoff bzw. synthetisches Methan sind zurzeit somit weder in ausreichenden Mengen vorhanden noch wirtschaftlich einsetzbar.

Verfügbare technische Anlagen

Stadtwerke Flensburg sind bereit für Wasserstoff

Für die Verwendung von aus regenerativen Energien hergestelltem Wasserstoff gibt es schon jetzt zwei technische Varianten.

Mitverbrennung in der vorhandenen und der neuen Gasturbine

Die Stadtwerke Flensburg verfügen über eine erdgasbetriebene Gasturbine zur Strom- und Wärmeerzeugung. Mit dem Projekt „Kessel 13“ wird eine zweite Gasturbine installiert, um zwei weitere Kohlekessel zu ersetzen. Diese Anlagen sind in der Lage, den benötigten Brennstoff bis zur Hälfte durch Wasserstoff zu ersetzen.

Hierzu müsste der Wasserstoff am Ort der Elektrolyse verflüssigt und per Tank-LKW nach Flensburg gebracht werden. Für den Transport des Wasserstoffs in verflüssigter Form für eine Gasturbine wären jährlich rund 1.500 LKW Anlieferungen erforderlich. Über Tanks an den Gasturbinen könnte dann der Wasserstoff dem Erdgas beigemischt und in den Turbinen zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt werden.

Eine der beiden Gasturbinen der Stadtwerke könnte auf diese Weise die gesamte Jahresproduktion der in Hamburg geplanten Elektrolyseanlage mit einer elektrischen Anschlussleistung von 100 MW verwerten.

Der Turbinenhersteller plant ein Programm zur Entwicklung von Maßnahmen, um den möglichen Anteil der Mitverbrennung deutlich zu erhöhen.

Umstellung gesamter Erdgasbedarf auf synthetisches Methan

Bei einer Aufbereitung, des mit regenerativem Strom erzeugten Wasserstoffes zu synthetischem Methan, könnten die gesamten erdgasbetrieben Anlagen der Stadtwerke mit fossilfreien Brennstoffen betrieben werden. Ein Transport des Brennstoffes wäre über die vorhandene Erdgasleitung möglich. Neben den vorhanden technischen Anlagen der Stadtwerke wäre somit auch die Brennstoffinfrastruktur vorhanden.

Bei dem zu erwartenden Erdgasbedarf in Höhe von ca. 2.500 GWh pro Jahr wären allerdings rund 90.000 t Wasserstoff erforderlich, um die entsprechende Menge an synthetischem Methan zu erzeugen. Dies entspricht der xxx-fachen Menge der in Hamburg geplanten Elektrolyseanlage mit einer elektrischen Anschlussleistung von 100 MW.

Für den regenerativ zu erzeugenden elektrischen Strom zum Betrieb der Elektrolyseanlage für den benötigten Wasserstoff wären 201 Windräder mit je 5 MW Leistung oder rund 3,2 Mio. m² Photovoltaikanlagen erforderlich.

Die Anlagen der Stadtwerke Flensburg sind somit schon jetzt in der Lage, mit Strom aus regenerativen Quellen erzeugtem Wasserstoff Strom- und Wärme zu erzeugen. Die verfügbaren Mengen sind jedoch (noch) zu gering und die Kosten (noch) zu hoch.

Der aktuell laufende Umstieg von Kohle auf Erdgas bietet somit neben der sofortigen Reduzierung der CO2 Emissionen die Option, mit den vorhandenen technischen Anlagen Wasserstoff aus regenerativem Strom zu verwenden. 

Zusammenfassung

Die Sektorkopplung ist ein wichtiger Baustein für ein Gelingen der Energiewende. Durch sie kann regenerativ erzeugter Strom speicherbar und für andere Sektoren nutzbar gemacht werden.

Power to heat-Anlagen sind für eine Sektorkopplung verfügbar. Allein die regulatorischen Rahmenbedingungen verhindern einen flächendeckenden wirtschaftlichen Einsatz. Hier ist die Politik gefordert die Rahmenbedingungen zu ändern, um dieser vorhandenen Technologie zu einer breiteren Anwendung bei der Sektorkopplung zu verhelfen.

Wasserstoffnutzung sehen wir als Zukunftstechnologie, die sich zurzeit in einer zügigen Entwicklung befindet, aber aktuell noch nicht marktreif ist. Wir werden sie anwenden, sobald sie marktreif und ökonomisch vertretbar ist.

Die technischen Möglichkeiten zur Nutzung von Wasserstoff sind bei den Stadtwerken Flensburg schon jetzt vorhanden. Die Stadtwerke Flensburg sind bereit für Wasserstoff.
 

TYPO3\CMS\Extbase\Domain\Model\FileReference:2336 Über den Autoren

Karsten Müller-Janßen

Geschäftsbereichsleiter Anlagenbau-und Projekte

Über den Autor

  • seit 2011 Geschäftsbereichsleiter Anlagenbau- und Projekte bei der Stadtwerke Flensburg GmbH
  • verantwortlich für Projekte zur Modernisierung bzw. zum Neubau von Erzeugungsanlagen im Rahmen Kohleausstieg und Energiewende
  • strategische Weiterentwicklung des Heizkraftwerkes mit dem Ziel der CO2 Neutralität bis 2035 
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