Lagebericht
V. Chancen- und Risikobericht
Chancen- und Risikobericht
Wesentliche und erkennbare Änderungen im Branchenumfeld, in gesetzlichen Regelungen oder in betrieblichen Rahmenbedingungen, die sich negativ auf die Unternehmensentwicklung auswirken können, werden mit einem Risikomanagementsystem erfasst und routinemäßig neu bewertet. Die Entwicklungen auf den Energiemärkten werden durch gezielte Regelungen und Analysen bezogen auf die Commodities Strom, Gas, Kohle und Emissionszertifikate gesondert gemonitort.
1. (Markt-)Preis- und Absatzrisiken und -chancen
Die bereits beschriebenen Verwerfungen an den Energiemärkten wie auch weiterhin eingetretene und potentielle Wirkungen der Corona-Pandemie erhöhen die Unsicherheiten, die mit jeder Prognose verbunden sind. Aktuell wird die Unsicherheit der Prognose weiter durch den Ukraine-Krieg und den damit verbundenen letztlich unkalkulierbaren Auswirkungen auf die Energiemärkte verschärft.
Als Folge haben die Stadtwerke Ende 2021 ihre Vertriebstätigkeiten im Individualkundengeschäft vor-übergehend unterbrochen. Auch auf den einschlägigen Vertriebsportalen sind die Stadtwerke nur sehr bedingt und zurückhaltend präsent. Der Fokus liegt somit eher auf der Kundenbindung als auf der Kundengewinnung.
Kontinuierliche Prüfungen, situationsbezogene und monatliche, geschäftsbereichsübergreifende Verprobungen sollen Handlungsnotwendigkeiten frühzeitig sichtbar werden lassen. Mit entsprechenden Beschaffungsregeln für Terminprodukte sollen Risiken in ihren Wirkungen abgemildert werden. Derivative Finanzinstrumente werden in der Strom- und Gasbeschaffung nur im Zusammenhang mit vertrieblichen Grundgeschäften abgeschlossen. Die Bewertungseinheit wird über eine entsprechende Buchstruktur abgebildet.
Die Kohlebeschaffung, die aufgrund der Gaspreisentwicklung einen höheren Stellenwert einnimmt, wird in bestimmten Anteilen über derivative Finanzinstrumente gegen Marktpreisentwicklungen preislich fixiert. Hinsichtlich der Erdgasbeschaffung für das Kraftwerk wurde die in den Vorjahren praktizierte Spotmarktbeschaffung analog zur Kohlebeschaffung ebenfalls auf eine preisliche Fixierung definierter Anteile gegen Marktpreisentwicklungen umgestellt. Wegen der kriegerischen Auseinandersetzung in der Ukraine ist die Kohlebeschaffung aus Russland zum Erliegen gekommen. Die Stadtwerke setzen deshalb verstärkt auf alternative Bezugswege. Die Abgabeverpflichtung für Emissionszertifikate wird über Termingeschäfte geschäftsjahresbezogen preislich gesichert. Aufgrund ihrer Marktfähigkeit unterliegen die Emissionszertifikate den üblichen Marktchancen und -risiken und stellen im Gesamtkontext der Erzeugung neben Kohle und Gas einen wesentlichen Einsatzfaktor dar.
Die Netzentgeltentwicklung im eigenen Netzgebiet ist stabil. Die Datenbasis für die 4. Regulierungsperiode bildet das neue Fotojahr 2021. Sinkende Eigenkapitalzinssätze und komplexere regulatorische Anforderungen lassen ein moderates Absinken des Netzentgeltniveaus erwarten.
Ein kalkulatorisches Risiko im externen Stromgeschäft liegt in der Berücksichtigung der Netzentgelte, die an deren Netzbetreibern zu vergüten sind. Diese Netzentgelte liegen erst zum Ende des Planungsprozesses vor. Demgegenüber sind die Umlagen-Belas-tungen weitestgehend gut prognostizierbar.
Durch regelmäßige Analysen und Verprobungen wird sichergestellt, dass sich Absatz- und Einsatzmengen entsprechen. Insbesondere Änderungen im Abnahmeverhalten der Kunden können aber zu Über- oder Unterdeckungen in der Strombeschaffung führen. Durch ein Monitoring der Bilanzkreis- und Ausgleichsenergieabrechnungen werden hier in einem permanenten Prozess Rückschlüsse auf aktuelle und perspektivische Energiebedarfe gezogen. Darüber hinaus wird auch das Abnahmeverhalten der Bestandskunden mit den Ist-Verbräuchen routinemäßig verprobt.
2. Umfeldrisiken und -chancen (Politische/Gesetzliche/ Regulatorische Rahmenbedingungen)
Die für die folgenden Geschäftsjahre geltenden Änderungen im Energiewirtschaftsrecht werden laufend bewertet und geprüft. Die sich in den Zeiten der Energiewende kontinuierlich verändernde Gesetzeslage schafft die Notwendigkeit, sich durchgängig mit den abweichenden Regelungen auseinanderzusetzen. Dabei stehen nicht nur die auf das Bestandsgeschäft wirkenden Risiken im Vordergrund, sondern der Fokus liegt auch auf der Bewertung von Chancen, die sich aus den neuen Regelungen ergeben.
3. IT-Risiken und -chancen
Die seit 2017 in allen Marktrollen etablierte IT-Landschaft gewährleistet weiterhin, dass den regulatorischen und wettbewerblichen Anforderungen entsprochen werden kann. Insbesondere die zu den Regelterminen 01.04. und 01.10. auf das Unternehmen zukommenden Marktformatänderungen binden erhebliche Ressourcen. Ihre sachgemäße Umsetzung in den IT-Systemen sichert die Kommunikationsfähigkeit mit anderen Marktpartnern im Energiemarkt.
Die zunehmenden Herausforderungen im IT-Bereich, aber auch die damit verbundenen Chancen, haben die Stadtwerke, ihrer evaluierten Strategie entsprechend, durch die Etablierung des neuen Geschäftsbereiches „Digitalisierung“ angenommen, mit dem eine noch bessere unternehmensweite Verzahnung der spezifischen Anforderungen an die digitalen Prozesse erreicht werden soll.
Neben den branchenspezifischen Anforderungen bilden ein dichtes Geflecht aus Sicherungsmaßnahmen technischer Art, wie Firewall, Datensicherungskonzepten, Serverstrukturen und die Berechtigungs- und Zugriffsregelungen die Basis für eine störungsfreie und sichere IT-Landschaft.
4. Operative Risiken
Als Betreiber von Strom-, Wärmeerzeugungs- und –netzanlagen bestehen Risiken aus dem ungeplanten Ausfall oder der Nichtverfügbarkeit von Anlagen. Der Eintrittswahrscheinlichkeit derartiger Situationen wird durch routinemäßige Revisionen, laufende Kontrollen sowie der frühzeitigen Beseitigung möglicher Schadensursachen entgegengewirkt. Verschiedenste Schadenssituationen sind durch entsprechende Versicherungen abgedeckt.
Analysen des Netzzustands in den Sparten Strom, Wärme und Wasser zeigen, dass der aktuelle Stand durchaus zufriedenstellend ist. Schwachpunkte sind identifiziert und werden durch Maßnahmen bearbeitet. Der in einem kurzen Zeitfenster erfolgte Wärmenetzausbau in Flensburg lässt theoretisch einen größeren Sanierungsbedarf in einem ebenso kurzen Zeitraum erwarten. In diese Richtung gehende Auswertungen zeigen jedoch, dass sich dieser Sanierungsbedarf zum einen noch in den nächsten Jahren gestalten lässt und der theoretische Eintritt noch weiter in der Zukunft liegt. Aktuell können daraus keine wirtschaftlich sinnvollen Aktivitäten abgeleitet werden.
5. Liquiditäts-, Finanzierungs- und Zinsrisiken und -chancen
Durch eine aktive Liquiditätssteuerung wird sichergestellt, dass das Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen termingerecht nachkommen kann. Kreditlinien im kurzfristigen Bereich sichern temporäre Liquiditäts bedarfe ab. Die mittelfristige Finanzierung – insbesondere die Finanzierung des Projekts Kessel 13 – ist mit Abschluss von entsprechenden Kreditverträgen gesichert.
Durch einen kontinuierlichen Informationsaustausch mit den finanzierenden Kreditinstituten werden Kapital bedarfe mit entsprechender Vorlauffrist adressiert. Auf dieser Basis können Mittelbedarfe zu angemessenen Konditionen gedeckt werden.
Das derzeitige Kreditportfolio besteht im Schwerpunkt aus Festzinskrediten, so dass Rückwirkungen aus Markt zinsänderungen nur in geringem Umfang eintreten können. Die zu erwartenden Zinsänderungen auf die variabel verzinslichen Kredite werden nicht als wesentlich betrachtet, Instrumente zur Zinsfixierung sind nicht im Einsatz.
6. Konjunkturelle Entwicklung
Der Blick auf die konjunkturelle Entwicklung ist nicht nur durch die zeitliche Wirkung der Pandemie beeinflusst, sondern zunehmend erheblich auch durch den Ukraine-Krieg. Die Dauer und die Entwicklung dieses Krieges werden entscheidend für die weitere Entwicklung sein. Das Jahr 2022 ist somit mit erheblichen Unsicherheiten behaftet.
Inwieweit die Energiepreisentwicklung zu einem erhöhten Forderungsausfallrisiko führt, ist ebenfalls noch nicht beantwortbar. Erst im weiteren Verlauf von 2022 wird erkennbar sein, ob und in welchem Umfang entgegenwirkende, preissenkende staatliche Maßnahmen wirken.
7. Beteiligungsportfolio
Das Beteiligungsportfolio der Stadtwerke beschränkt sich mit einer Ausnahme auf Gesellschaften, die im lokalen Umfeld kommunale Aufgaben wahrnehmen. Höhere Anforderungen kommen auf den Öffent-lichen Personen-Nahverkehr zu, der zudem deutlich von der Pandemie betroffen ist. Somit ist zu erwarten, dass die Verlustausgleiche für diese Aktivitäten deutlich steigen dürften. Für die Aktivitäten des Hafens, des Flughafens und der Entsorgung wird eher eine Entwicklung erwartet, die sich an der Vergangenheit orientiert.
Das einzige Investment außerhalb der kommunalen Aufgaben stellt die Beteiligung an der Trianel Windkraft werk Borkum GmbH & Co. KG dar. Über die in den Geschäftsjahren 2013 und 2018 vorgenommene Korrektur auf den Beteiligungsbuchwert hinaus können jedoch keine weiteren Risiken für die Stadtwerke erkannt werden.
8. Einsatz von Finanzinstrumenten
Finanzinstrumente werden zur Beherrschung identifizierter Marktpreisrisiken eingesetzt. Es besteht das Ziel, Risiken lediglich im vertretbaren Maße einzugehen. Der Einsatz von Finanzinstrumenten ist durch interne Richtlinien geregelt. Derivative Finanzinstrumente werden lediglich im Zusammenhang mit einem Grundgeschäft eingegangen. Als Grundgeschäfte kommen sowohl einzelne Posten und Postengruppen als auch antizipative Geschäfte infrage.
Derivate werden mit dem jeweiligen Grundgeschäft bilanziell abgebildet und weisen einen hohen Sicherheitszusammenhang auf. Mit der dauerhaften Dokumentation des Sicherungszusammenhangs wird die Einhaltung der allgemeinen Grundsätze nach § 249 HGB sowie § 254 HGB nachgewiesen, sofern hierfür die Voraussetzungen erfüllt sind. Die Anwendung der Hedge-Beziehungen wird durch eine Commodity-Richtlinie reglementiert. Sofern aus Derivaten offene Positionen oder ineffiziente Bestandteile im Zusammenhang mit Bewertungseinheiten entstehen, werden diese im Falle einer negativen Marktentwicklung über die Bildung von Drohverlustrückstellungen berücksichtigt.
9. Gesamtaussage zur Chancen- und Risikolage
Getragen von der vom Gesellschafter verabschiedeten Strategie „SWFL 21.X: Kurs grün + digital“ legen die Stadtwerke weiterhin ihren Fokus auf Kundenbedürfnisse, Dekarbonisierung und Digitalisierung und beschreiten den Weg der Unternehmensentwicklung weiter fort. Dabei besteht die Hoffnung, dass sich dieser Weg wieder in einer friedlichen und pandemiefreien Normalität fortsetzen lässt.
Die breite Aufstellung in den Wertschöpfungsstufen Beschaffung, Erzeugung, Netze, Vertrieb sowie angrenzenden Dienstleistungen für die Sparten Strom, Wärme, Gas, Wasser und Telekommunikation bietet auch zukünftig die Möglichkeit der Nutzung von Chancen und sich ausgleichender Risiken. Durch die breite Aufstellung ergibt sich neben einer Risikostreuung auch ein Risikoausgleich durch die unterschiedlichen Rollen als Verkäufer oder Einkäufer an den Energiemärkten.
Bezüglich des Ukrainekonflikts lassen sich derzeit keine konkreten Aussagen hinsichtlich der Auswirkungen auf die Stadtwerke Flensburg treffen.