Lagebericht

V. Chancen- und Risikobericht

Wesentliche und erkennbare Änderungen im Branchenumfeld, in gesetzlichen Regelungen oder in betrieblichen Rahmenbedingungen, die sich negativ auf die Unternehmensentwicklung auswirken können, werden mit einem Risikomanagementsystem erfasst und routinemäßig neu bewertet. Die Entwicklungen auf den Energiemärkten werden durch gezielte Regelungen und Analysen bezogen auf die Commodities Strom, Erdgas, Kohle und Emissionszertifikate gesondert beobachtet.

1. (Markt-)Preis- und Absatzrisiken und -chancen

Die bereits beschriebenen, durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Verwerfungen an den Energiemärkten sowie damit einhergehende gesetzgeberische Eingriffe erhöhen die Unsicherheiten, die mit jeder Prognose verbunden sind.

Als Folge haben die Stadtwerke Flensburg wie auch andere Branchenunternehmen, ihre Vertriebstätigkeiten im Produkt- und Individualkundengeschäft in weiten Teilen des Jahres 2022 vorübergehend unterbrochen. Auch auf den einschlägigen Vertriebs-portalen sind die Stadtwerke Flensburg nur sehr bedingt und zurückhaltend präsent. Der Fokus liegt im Strombereich wie im Vorjahr eher auf der Kundenbindung als auf der Kundengewinnung. Demgegenüber haben die Stadtwerke den bundesweiten Vertrieb im Gasproduktkundenbereich mit Ausnahme Schleswig-Holsteins eingestellt.

Kontinuierliche Prüfungen, situationsbezogene und monatliche, geschäftsbereichsübergreifende Verprobungen sollen Handlungsnotwendigkeiten frühzeitig sichtbar werden lassen. Mit entsprechenden Beschaffungsregeln für Terminprodukte werden Risiken gesteuert. Derivative Finanzinstrumente werden in der Strom- und Gasbeschaffung nur in Zusammenhang mit vertrieblichen Grundgeschäften abgeschlossen. Die Bewertungseinheit wird über eine entsprechende Buchungsstruktur abgebildet.

Die Kohlebeschaffung, die wegen der beschriebenen gesetzlichen und marktbedingten Rahmenbedingungen derzeit noch einen besonderen Stellenwert einnimmt, wird in bestimmten Anteilen über derivative Finanzinstrumente gegen Marktpreisentwicklungen preislich fixiert. Hinsichtlich der Erdgasbeschaffung für das Kraftwerk wird analog zur Kohlebeschaffung ebenfalls eine preisliche Fixierung definierter Anteile gegen Marktpreisentwicklungen durchgeführt. Wegen des Wegfalls russischer Kohlelieferungen setzen die Stadtwerke Flensburg weiterhin verstärkt auf alternative Bezugswege. Die Abgabeverpflichtung für Emissionszertifikate wird über Termingeschäfte geschäftsjahresbezogen preislich gesichert. Aufgrund ihrer Marktfähigkeit unterliegen die Emissionszertifikate den üblichen Marktchancen und -risiken und stellen im Gesamtkontext der Erzeugung neben Kohle und Gas einen wesentlichen Einsatzfaktor dar.

Die Netzentgelte im eigenen Netzgebiet werden leicht ansteigen. Die Steigerung resultiert im Wesentlichen aus der Möglichkeit, die gestiegenen Kosten für die Verlustenergie in den Netzentgelten weitergeben zu können.

Ein kalkulatorisches Risiko im externen Stromgeschäft liegt in der Berücksichtigung der Netzentgelte, die anderen Netzbetreibern zu vergüten sind. Diese Netzentgelte liegen erst zum Ende des Planungsprozesses vor. Demgegenüber sind die Umlagen-Belastungen weitestgehend gut prognostizierbar.

Durch regelmäßige Analysen und Verprobungen wird sichergestellt, dass sich Absatz- und Einsatzmengen entsprechen. Insbesondere Änderungen im Abnahmeverhalten der Kunden können aber zu Über- oder Unterdeckungen in der Strombeschaffung führen. Durch ein Monitoring der Bilanzkreis- und Ausgleichsenergieabrechnungen werden hier in einem permanenten Prozess Rückschlüsse auf aktuelle und perspektivische Energiebedarfe gezogen. Darüber hinaus wird auch das Abnahmeverhalten der Bestandskunden mit den Ist-
Verbräuchen routinemäßig verprobt.

2. Umfeldrisiken und -chancen (Politische/Gesetzliche/
Regulatorische Rahmenbedingungen)

Die durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Verwerfungen an den Energiemärkten sowie damit einhergehende gesetzgeberische Eingriffe erhöhen die Unsicherheiten für die Geschäftstätigkeiten der Stadtwerke Flensburg.

Darüber hinaus werden die für die folgenden Geschäftsjahre geltenden Änderungen im Energiewirtschaftsrecht laufend bewertet und geprüft. Die sich in den Zeiten der Energiewende kontinuierlich verändernde Gesetzeslage schafft die Notwendigkeit, sich durchgängig mit den geänderten Regelungen auseinanderzusetzen. Dabei stehen nicht nur die auf das Bestandsgeschäft wirkenden Risiken im Vordergrund, sondern der Fokus liegt auch auf der Bewertung von Chancen, die sich aus den neuen Regelungen ergeben.

3. IT-Risiken und -chancen

Die seit 2017 in allen Marktrollen etablierte IT-Landschaft gewährleistet weiterhin, dass den regulatorischen und wettbewerblichen Anforderungen entsprochen werden kann. Insbesondere die zu den Regelterminen 01.04. und 01.10. auf das Unternehmen zukommenden Marktformatänderungen, binden erhebliche Ressourcen. Ihre sachgemäße Umsetzung in den IT-Systemen sichert die Kommunikationsfähigkeit mit anderen Marktpartnern im Energiemarkt.

Darüber hinaus erfordert die Umsetzung der von der Bundesregierung für 2023 beschlossenen Preisbremsen erhebliche Aufwände für die Anpassung der Abrechnungssysteme und -prozesse.

Die Stadtwerke Flensburg haben sich, ihrer evaluierten Strategie entsprechend, durch den seit dem Jahr 2022 etablierten neuen Geschäftsbereich „Digitalisierung“ den zunehmenden Herausforderungen im IT-Bereich, aber auch den damit verbundenen Chancen angenommen. Damit verbunden ist eine noch
bessere unternehmensweite Verzahnung der spezifischen Anforderungen an die Digitalisierung von Prozessen.

Neben den branchenspezifischen Anforderungen bilden ein dichtes Geflecht aus Sicherungsmaßnahmen technischer Art, wie Firewall, Datensicherungskonzepten, Serverstrukturen und die Berechtigungs- und Zugriffsregelungen die Basis für eine störungsfreie und sichere IT-Landschaft.

4. Operative Risiken

Als Betreiber von Strom-, Wärmeerzeugungs- und -netzanlagen bestehen Risiken aus dem ungeplanten Ausfall oder der Nichtverfügbarkeit von Anlagen. Der Eintrittswahrscheinlichkeit derartiger Situationen wird durch routinemäßige Revisionen, laufende Kontrollen sowie der frühzeitigen Beseitigung möglicher Schadensursachen entgegengewirkt. Verschiedenste Schadenssituationen sind durch entsprechende Versicherungen abgedeckt.

Analysen des Netzzustands in den Sparten Strom, Wärme und Wasser zeigen, dass der aktuelle Stand durchaus zufriedenstellend ist. Schwachpunkte sind identifiziert und werden durch Maßnahmen bearbeitet. Der in einem kurzen Zeitfenster erfolgte Wärmenetzausbau in Flensburg lässt theoretisch einen größeren Sanierungsbedarf in einem ebenso kurzen Zeitraum erwarten. In diese Richtung gehende Auswertungen zeigen jedoch, dass sich dieser Sanierungsbedarf zum einen noch in den nächsten Jahren gestalten lässt und der theoretische Eintritt noch weiter in der Zukunft liegt. Aktuell können daraus keine wirtschaftlich sinnvollen Aktivitäten abgeleitet werden.

5. Liquiditäts-, Finanzierungs- und Zinsrisiken und -chancen

Durch eine aktive Liquiditätssteuerung wird sichergestellt, dass das Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen termingerecht nachkommen kann. Kreditlinien im kurzfristigen Bereich sichern temporäre Liquiditätsbedarfe ab. Die mittelfristige Finanzierung – insbesondere die Finanzierung des Projektes Kessel 13 – wurde mit Abschluss von entsprechenden Kreditverträgen gesichert.

Die Ergebniserwartung des Gesamtunternehmens für 2023 ermöglicht eine Thesaurierung wesentlicher Ergebnisanteile und erlaubt einen Ausbau der Eigenkapitalausstattung, der die Risikotragfähigkeit des Unternehmens weiter stabilisiert.

Durch einen kontinuierlichen Informationsaustausch mit den finanzierenden Kreditinstituten werden Kapitalbedarfe mit entsprechender Vorlauffrist adressiert. Auf dieser Basis können Mittelbedarfe zu angemessenen Konditionen gedeckt werden.

Das derzeitige Kreditportfolio besteht im Schwerpunkt aus Festzinskrediten, so dass Rückwirkungen aus Marktzinsänderungen nur in geringem Umfang eintreten können. Die zu erwartenden Zinsänderungen auf die variabel verzinslichen Kredite werden nicht als wesentlich betrachtet. Instrumente zur Zinsfixierung sind nicht im Einsatz.

6. Konjunkturelle Entwicklung

Der Blick auf die konjunkturelle Entwicklung ist erheblich durch den Ukraine-Krieg beeinflusst. Die Dauer und die Entwicklung dieses Krieges werden entscheidend für die weitere konjunkturelle Fortentwicklung sein. Das Jahr 2023 ist somit mit erheblichen Unsicherheiten behaftet.

Inwieweit die Energiepreisentwicklung zu einem erhöhten Forderungsausfallrisiko führt, ist ebenfalls noch nicht beantwortbar. Erst im weiteren Verlauf von 2023 wird dies, auch unter Berücksichtigung preisdämpfender staatlicher Maßnahmen, erkennbar sein.

7. Beteiligungsportfolio

Das Beteiligungsportfolio der Stadtwerke beschränkt sich mit einer Ausnahme auf Gesellschaften, die im lokalen Umfeld kommunale Aufgaben wahrnehmen. Höhere Anforderungen kommen auf den Öffentlichen Personen-Nahverkehr zu. Somit ist zu erwarten, dass die Verlustausgleiche für diese Aktivitäten deutlich steigen dürften. Für die Aktivitäten des Hafens, des Flughafens und der Entsorgung wird eher eine Entwicklung erwartet, die sich an der Vergangenheit orientiert. Die aktuelle Gewinnverwendungsvereinbarung mit der Gesellschafterin trägt dem Umstand einer ansteigenden Verlustübernahme aus Tätigkeiten der kommunalen Daseinsvorsorge bereits durch eine Betragsdeckelung Rechnung.

Das einzige Investment außerhalb der kommunalen Aufgaben stellt die Beteiligung an der Trianel Windkraftwerk Borkum GmbH & Co. KG dar.

8. Einsatz von Finanzinstrumenten

Finanzinstrumente werden zur Beherrschung identifizierter Marktpreisrisiken eingesetzt. Es besteht das Ziel, Risiken lediglich im vertretbaren Maße einzugehen. Der Einsatz von Finanzinstrumenten ist durch interne Richtlinien geregelt. Derivative Finanz-instrumente werden lediglich im Zusammenhang mit einem Grundgeschäft eingegangen. Als Grundgeschäfte kommen sowohl einzelne Posten und Postengruppen als auch antizipative Geschäfte infrage.

Derivate Finanzinstrumente werden mit dem jeweiligen Grundgeschäft bilanziell abgebildet und weisen einen hohen Sicherheitszusammenhang auf. Mit der dauerhaften Dokumentation des Sicherungszusammenhangs wird die Einhaltung der allgemeinen Grundsätze nach § 249 HGB sowie § 254 HGB nachgewiesen, sofern hierfür die Voraussetzungen erfüllt sind. Die Anwendung der Hedge-Beziehungen wird durch eine Commodity-Richtlinie reglementiert. Sofern aus Derivaten offene Positionen oder ineffiziente Bestandteile im Zusammenhang mit Bewertungseinheiten entstehen, werden diese im Falle einer negativen Marktentwicklung über die Bildung von
Drohverlustrückstellungen berücksichtigt.

9. Gesamtaussage zur Chancen- und Risikolage

Getragen von der vom Gesellschafter verabschiedeten Strategie „SWFL 21.X: Kurs grün + digital“ legen die Stadtwerke Flensburg weiterhin ihren Fokus auf Dekarbonisierung, Kundenbedürfnisse und Digitalisierung und beschreiten den Weg der Unternehmens-entwicklung weiter fort. Dabei besteht die Hoffnung, dass sich dieser Weg wieder in einer friedlichen Normalität fortsetzen lässt.

Die breite Aufstellung in den Wertschöpfungsstufen Beschaffung, Erzeugung, Netze, Vertrieb sowie angrenzenden Dienstleistungen für die Sparten Strom, Wärme, Erdgas, Wasser und Telekommunikation bietet auch zukünftig die Möglichkeit der Nutzung von Chancen und sich ausgleichender Risiken. Durch die breite Aufstellung ergibt sich neben einer Risikostreuung auch ein Risikoausgleich durch die unterschiedlichen Rollen als Verkäufer oder Einkäufer an den Energiemärkten.

Bezüglich der weiteren Auswirkungen des Ukraine-Krieges lassen sich derzeit keine konkreten Aussagen hinsichtlich der Auswirkungen auf die Stadtwerke Flensburg treffen.